Kundgebung gegen Zwangsverrentung, Altersarmut und Behördenwillkür

Kundgebung gegen Zwangsverrentung, Altersarmut und Behördenwillkür

Am Samstag, den 27. Juni 2015, fand eine Kundgebung gegen Zwangsverrentung, Altersarmut und Behördenwilllür auf dem Kaiser Wilhelm Platz statt. Azize Tank kritisierte in ihrer Rede die vorherrschende neoliberale Politik, die die Interessen der Banken vor die von Menschen stellt:

Es freut mich sehr, heute hier bei der Kundgebung zu Altersarmut, Zwangsverrentung und Behördenwillkür zu Ihnen sprechen zu können.

Ich freue mich sehr, dass so viele Leute heute gekommen sind, um zu zeigen, dass wir ALLE mit der neoliberalen Politik nicht einverstanden sind. Diese Politik die nur die Banken rettet und Menschen hinten anstehen lässt, lehnen wir ab.

Sie führt unweigerlich dazu, dass viele Menschen ein Leben in Altersarmut und an der Grenze zum Existenzminimum führen. Dabei spielen Zwangsverrentungen und Behördenwillkür eine wesentliche Rolle und sind Erfüllungsgehilfen einer unmenschlichen Politik, die nicht die Menschen und ihre Sozialen Menschenrechte in den Fokus ihres Handelns nimmt, sondern nur die Interessen von Banken und Unternehmen vertritt.

Lange hat es das deutsche Rentensystem geschafft, Altersarmut weitgehend zu verhindern. Jedoch: Ändern wir nichts, wird es zu einer massenhaften Altersarmut kommen.

Seit der rot-grünen Bundesregierung setzt die Regierungspolitik auf schlechte Arbeit und Rentenkürzungen, das hat die Schwarz-Gelbe sowie die jetzige Schwarz-Rote-Regierung weiter fortgesetzt. Während die Unternehmen, Banken und Versicherungen profitieren, müssen die Beschäftigten die Rechnung zahlen. Sie müssen länger arbeiten und den Löchern in der gesetzlichen Rente alleine hinterher sparen.

Bereits jetzt sinken die Rentenzahlbeträge. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente ist längst unter das Sozialhilfe-Niveau gesunken.

Immer mehr Menschen sind auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Ihre Zahl ist seit 2003 um 69 Prozent gestiegen. Dazu kommt, dass ein Großteil der Rentner und Rentnerinnen im Alter weiter arbeiten müssen, was sich in der steigenden Zahl minijobbender Rentnerinnen und Rentner ausdrückt.

Die Bundesregierung spricht davon, dass der Anteil der Bezieher*innen von Grundsicherung im Alter zwar leicht gestiegen ist, Altersarmut aber nach wie vor kein weit verbreitetes Problem in Deutschland ist.

Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit und muss angesichts der von Jahr zu Jahr absolut und relativ deutlich ansteigenden Zahlen von Grundsicherungsbezieher*innen endlich ein Ende haben. So hat z.B. der Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands einen erhöhten Anteil an von Armut gefährdeten bzw. davon betroffenen Rentnerinnen und Rentnern ausgewiesen. Ich zitiere: „Es gibt keine andere Gruppe in Deutschland, die in den letzten Jahren auch nur annähernd vergleichbar hohe Armutszuwächse hatte. Wir haben es hier mit einem armutspolitischen Erdrutsch zu tun.“

Der Hintergrund: Die Bundesregierung bezeichnet nur Ältere als arm, die unter dem durchschnittlichen Grundsicherungsniveau für über 65jährige von 740 Euro liegen, der PARITÄTISCHE geht hingegen nach dem Mikrozensus von einer Armutsschwelle von 892 Euro für Singles aus. Eine wesentlich realistischere und richtige Rechengröße!

Gerade Frauen sind besonders von Altersarmut betroffen. Auch viele Menschen im Osten sind künftig von Altersarmut bedroht.

Doch statt die wirklichen Ursachen von Altersarmut – Niedriglöhne, Lücken in der Erwerbsbiografie und das Absinken des Rentenniveaus – ernsthaft anzugehen, lässt die Regierung das Rentenniveau weiter sinken und verzichtet auf die Einführung eines ausreichenden flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Ihr Vorhaben, Minirenten durch die sog. Lebensleistungsrente aufzustocken, hat sie nicht umgesetzt. Die zynisch „Lebensleistungsrente“ genannte Miniaufstockung wäre aber ohnehin im Kampf gegen Altersarmut kaum wirksam gewesen. Ohnehin liegt sie viel zu niedrig, um Armut wirksam zu vermeiden.

Wenn nicht ein grundlegender Kurswechsel in der Rentenpolitik vorgenommen wird, werden in Zukunft selbst Menschen mit mittleren Einkommen nur schwer noch eine auskömmliche Rente bekommen. Wenn aber viele Menschen auch bei langer Versicherungszeit keine Rente mehr erreichen, die deutlich über dem Grundsicherungsniveau liegt, zerstört dies die Legitimation der gesetzlichen Rente als öffentlichem Pflichtversicherungssystem. Dann ist es zu seiner Zerschlagung und Privatisierung kein weiter Weg mehr. Soweit darf es nicht kommen.

Ein weiterer Aspekt der unweigerlich zu Altersarmut führt, ist der Umstand und die gelebte Praxis der Zwangsverrentung von SGB II – Leistungsberechtigen.

Jährlich werden zehntausende ältere Hartz-IV-Leistungsberechtigte werden von den Jobcentern aufgefordert, ihre Rentenansprüche zu klären und gegebenenfalls einen Rentenantrag zu stellen. Bei fehlender Mitwirkung stellen die Jobcenter selber den Rentenantrag. Es drohen massenhafte Zwangsverrentungen ab dem 63. Geburtstag. Der Wille der Betroffenen spielt keine Rolle. Daher handelt es sich um einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen – um eine Zwangsverrentung. Das bedeutet einen massiven Eingriff in die erworbenen sozialen Rechte. Es wird nicht geprüft, ob der Rentenanspruch bei vorzeitigem Renteneintritt zumindest das menschenwürdige Existenzminimum sichert. Dies ist ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Menschen.

DIE LINKE kritisiert: Wer im Alter keine Arbeit mehr findet, darf nicht in eine gekürzte Rente gezwungen werden. Zwangsverrentungen sind ein massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Menschen. Eine Zwangsverrentung bedeutet eine massive Rentenkürzung.

Bei einer (Zwangs-)rente ab 63 beträgt die Kürzung jetzt 8,7 Prozent – und das bis ans Lebensende.

Für Menschen die nach 1964 geboren sind und 2027 in Rente gehen wird die Kürzung auf 14,4 % betragen!

Dabei spielt die Höhe des Rentenanspruchs keine Rolle bei der Zwangsverrentung. Die Rente muss selbst dann beantragt werden, wenn der Rentenanspruch nicht das Existenzminimum sichert.

Es kommen immer wieder Menschen in meine Sprechstunde, die davon betroffen sind. Ein Beispiel, was das konkret für die Betroffen heißt: Eine langejährig beschäftigte Frau, die aufgrund von niedrigen Löhnen, Kindererziehungszeiten und Teilzeitbeschäftigung nach 43 Beitragsjahren in die Zwangsrente mit 63 Jahren geschickt wird, bekommt von ihren gerade mal 800,-€ monatlicher Rente 70,- € abgezogen. Und das bis ans Lebensende!!

DIE LINKE sagt: Zwangsverrentungen sind nicht zu rechtfertigen. Sie müssen abgeschafft werden! Wir empfehlen allen Betroffenen: Wehren Sie sich! Legen Sie Widerspruch ein!

Für DIE LINKE beginnt eine gute Rente am Arbeitsmarkt. Daher fordern wir gute Arbeit und gute Löhne als notwendige Voraussetzung für ein gutes Leben schon vor der Rente. Das heißt:

  • Abbau der (Langzeit)Arbeitslosigkeit
  • Erhöhung, Verstetigung und Verlängerung der Erwerbsbeteiligung (insbesondere von Frauen und im Alter ) statt Betreuungsgeld und Verfestigung des Modells der Versorgerehe
    • Eindämmung des Niedriglohnsektors , Flächendeckende  Mindestlöhne
    • Begrenzung statt Ausweitung der geringfügigen Beschäftigung
    • Wiederherstellung der „Ordnung auf dem Arbeitsmarkt“ , Abbau prekärer Beschäftigung

Darauf aufbauend bedeutet gute Rente folgendes:

  • Das Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente muss wieder (von jetzt 48 %) auf 53 Prozent erhöht werden, damit der Lebensstandard im Alter gesichert werden kann und die Renten für alle spürbar steigen. Die Absenkung des Rentenniveaus von 53 Prozent (2001) auf 43,7 Prozent (2030) führt für einen großen Teil der Menschen unweigerlich zur Altersarmut. So wird bspw. eine Rente von 1000€ dann nur noch 800 € wert sein. Eine durchschnittlich verdienende Person wird unter dieser Voraussetzung 35 Jahre arbeiten müssen, um auf eine Rente oberhalb des Bruttobedarfs der Grundsicherung im Alter zu kommen, statt zuvor 26 Jahre.
  • Zudem muss die Rentenversicherung mit genügend Mitteln ausgestattet sein. Eine Absenkung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung ist somit abzulehnen. Dazu hat die LINKE jedes Jahr einen Antrag in den Bundestag eingebracht (siehe 18/52 und 18/3042).
  • Wir wollen die Solidarität in der Rentenversicherung stärken: Zeiten niedriger Löhne, der Erwerbslosigkeit, Kindererziehung und Pflege müssen deutlich besser abgesichert werden, damit sie nicht zu Armutsrenten führen. So sollen unabhängig vom Geburtsjahr des Kindes Müttern oder Vätern drei Jahre Kindererziehungszeiten in der Rente angerechnet werden.
  • Alle Erwerbseinkommen müssen in die Rentenversicherung eingehen – auch die von Selbständigen, Beamtinnen und Beamten, Politikerinnen und Politikern. Beitragsbemessungsgrenzen sind aufzuheben, die Rentenhöhe ist abzuflachen.
  • Für einen Ruhestand in Würde und für soziale Teilhabe im Alter für jede und jeden brauchen wir einen Mindeststandard in der gesetzlichen Rente. Deshalb will DIE LINKE eine steuerfinanzierte, einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto einführen.

In diesem Sinne möchte ich mit euch der zunehmenden Altersarmut entgegenzutreten und für eine solidarische Mindestrente zu kämpfen.

Vielen Dank!