Misshandlungen auf Polizeiwache in Hannover: ‚Schlimme Einzelfälle‘ oder Spitze des Eisberges von rassistischer Polizeigewalt und institutionellem Rassismus

Während die „Flüchtlingskatastrophen“ in und um das Mittelmeer die öffentliche Debatte beherrschen, gerät ein erschütternder Fall von schweren rassistischen Misshandlungen von Flüchtlingen in Polizeigewahrsam in die Schlagzeilen. Die Recherchen des NDR über wiederholte Misshandlungen von Flüchtlingen auf einer Polizeiwache in Hannover belegen, dass wachsender Rassismus und ungesühnte gewalttätigen Übergriffe auf Menschen mit Migrationsgeschichte und Flüchtlinge nicht nur akut zu einer Kultur des Wegsehens führen, sondern als Rechtfertigung und Legitimation für rassistische Misshandlungen durch Beamte dienen. Diese rühmen sich mit solchen gesellschaftsfähig gewordenen rassistischen Straftaten offen im Internet.

Hierzu erklärt die Bundestagsabgeordnete Azize Tank, Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Fraktion DIE LINKE., anlässlich der wiederholten rassistischen Misshandlungen und der Anwendung von Folter durch deutsche Polizisten gegen Mitbürger ausländischer Herkunft:

 

„Die Aufklärung zahlreicher Vorwürfe wegen Folter und Misshandlungen, die gegen die Polizei erhoben werden, wird konsequent hintertrieben. Prügelnde Polizisten, die das demokratische Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Frage stellen, Folter, Mord, Körperverletzungen und Beleidigungen auf Polizeidienststellen, im Abschiebegewahrsam oder auf der Straße, Übergriffe auf Reisende bei der Bahn wegen ihres Aussehens in Bezug auf eine vermeintliche Herkunft (Racial Profiling) und immer wieder aus dem Ruder laufende Amtshandlungen und Diskriminierungen gegenüber Menschen mit Migrationsgeschichte und Flüchtlingen sind in der Bundesrepublik längst keine ‚schlimmen Einzelfälle‘ mehr.

Wie so oft in vergleichbaren Fällen drängen sich die Fragen auf: Wie kann es sein, dass solche Misshandlungen erst nach Jahren durch Zufall oder investigative Journalisten an das Licht der Öffentlichkeit kommen? Wenn sich auch hier wieder Korpsgeist mit diskriminierenden rassistischen Einstellungen paaren und zahlreiche Fälle ungesühnt blieben, weil ein gerichtsfester Nachweis verhindert wird: Wie kann es sein, dass die Ermittlungen bei uns immer noch der vorbelasteten Polizei übertragen werden und Menschen in Polizeigewahrsam hilflos ausgeliefert sind – statt unabhängige Untersuchungskommissionen und Kontrollmechanismen einzurichten? Nicht nur in England sind unabhängige Untersuchungskommissionen schon längst selbstverständlich.

Die Einhaltung elementarer Menschenrechte gegenüber allen Menschen – unabhängig von ihrem Äußeren, ihrer vermeintlichen Herkunft, ihrer Lebensweise und/oder dem sozialen Status – und die Pflicht zur Einhaltung rechtstaatlicher Grundsätze insbesondere durch Beamtinnen und Beamte bei der Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben gelten bedingungslos. Rassismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und muss auch gesamtgesellschaftlich bearbeitet werden. Die UNO hat die Politik aufgefordert, endlich mehr gegen Rassismus in Deutschland zu tun.

Es muss endlich begriffen werden, dass rassistische Diskriminierungen keineswegs auf organisierte Neonazis oder offen Rechtsextreme beschränkt sind, sondern in der Mehrheitsgesellschaft, in der selbsternannten Elite und in den Institutionen weit verbreitet sind. Deshalb fordere ich zu dem eine öffentliche Entschuldigung durch die Verantwortlichen, Wiedergutmachung bei den Betroffenen und endlich aktives Handeln ein!“