Grußwort der Bundestags-Abgeordneten Azize Tank, Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Bundestagsfraktion Die LINKE. zum Tag des Siegs am 9. Mai 2014
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
liebe Freundinnen und Freunde,
der 9. Mai, der Tag Sieges über den deutschen Faschismus, der Tag an dem die verbrecherische deutsche Wehrmacht vor den Vertretern der Anti-Hitler-Koalition in Berlin-Karlshorst ihre bedingungslose Kapitulation unterzeichnete, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte Europas.
Es ist ein Tag an dem wir die Zerschlagung des deutschen Faschismus feiern und die ehemaligen KombattantInnen und WiderstandskämpferInnen ehren! Ihnen allen gilt unser Dank für die Befreiung!
Unvergessen sind jedoch an diesem Tag vor allem die Millionen Opfer des deutschen Faschismus. Insgesamt starben während des Zweiten Weltkriegs nach Schätzungen: ca. 50 Millionen Menschen, davon 30 Millionen Zivilsten, 6 Millionen Juden, 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene, 220 Tausend Sinti und Roma, 250.000 Euthanasieopfer und geschätzt 8.000 Homosexuelle sowie Tausende weitere KZ-Häftlinge, politische Gefangene, Deportierte oder an Hunger gestorbene Menschen.
Die größte Last bei der Befreiung Deutschlands und des besetzten Europas durch antifaschistische Kräfte hatten dabei die Soldaten und Frauen-Soldaten zu tragen, die an der Ostfront eingesetzt wurden. Mit jedem Sieg der AntifaschistInnen an der Ostfront rückte zugleich das Ende der deutschen Vernichtungspolitik gegenüber europäischen Jüdinnen und Juden die in den deutschen Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Majdanek und Kulmhof sowie Treblinka, Bełżec und Sobibor industriell betrieben wurde. Mit dem Sieg über den Faschismus wuchs auch die Hoffnung auf einen demokratischen und sozialen Wiederaufbau in Europa.
Gedenken wir an diesem Tag in besonderer Weise all jene Kämpferinnen und Kämpfer, die bewaffneten und zivilen Widerstand gegen den deutschen Faschismus auf allen Fronten des Zweiten Weltkrieges und in allen Gesellschafts-Bereichen leisteten. Ich begrüße sehr, dass die Berliner VVN-BdA und zahlreiche AntifaschistInnen mit dem Fest zum Tag des Sieges im Treptower Park seit Jahren kontinuierlich wichtige Erinnerungsarbeit dazu leisten und Überlebende und ZeitzeugInnen dabei einen zentralen Platz einnehmen.
Ich freue mich sehr auch in diesem Jahr an den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges teilzunehmen, dass von ehrenamtlichen AktivistInnen vorbereitet wird und von zahlreichen BerlinerInnen mit unterschiedlichem sozialen und sprachlichen Hintergrund besucht wird.
Es ist mir dabei eine besondere Ehre in diesem Zusammenhang im Deutschen Bundestag Herrn Oberst Józef Korkosz von der polnischen Vereinigung der Kriegs-Invaliden (Związek Inwalidów Wojennych Rzeczypospolitej) aus Lublin sowie zwei belgische erinnerungspolitische AktivistInnen empfangen zu dürfen. Ich bedaure dabei sehr, dass die polnischen Frauen-Soldaten Oberleutnant Hania Szelewicz aus Warschau und Hauptmann Zofia Rogowska aus Wrocław, die in der 1. Polnischen Armee am Sturm auf Berlin teilnahmen, sowie Major Ada Żurawska aus Krakau vom Emilia-Plater-Bataillon aus gesundheitlichen Gründen verhindert sind und meiner Einladung in den Deutschen Bundestag nicht folgen konnten. Ich wünsche Ihnen eine baldige Genesung und Kraft ihre wichtige erinnerungspolitische Arbeit fortzusetzten.
Die meisten ehemaligen Opfer des deutschen Faschismus sind 69. Jahre nach ihrer Befreiung bereits verstorben oder befinden sich in einem angeschlagenen gesundheitlichen Zustand. Auch die ehemaligen WiderstandskämpferInnen benötigen unsere Unterstützung. Die soziale Sicherheit dieser älteren Menschen, ihr Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung, angemessener Pflege und anderer sozialer Menschenrechte muss überall in Europa gewährleistet werden. Denn es waren diese Menschen die ihre Jugend, Gesundheit und ihr Leben während des Zweiten Weltkrieges für unser Leben in Freiheit geopfert haben. Wir sind verpflichtet Ihnen einen einen respektvollen und angemessenen Lebensstandard auch im fortgeschrittenen Alter zu ermöglichen.
Ich bedaure es sehr, dass vielen antifaschistischen Kriegsinvaliden in Europa nicht die gebührende Achtung und Pflege zukommt. In vielen Ländern, insbesondere in Osteuropa kommt es vermehrt zu Angriffen auf die ehemaligen antifaschistischen KombattantInnen; ihre Renten-Ansprüche, Leistungen und Vergünstigungen werden oft beschnitten; ihr Beitrag als Alliierte der Anti-Hitler-Koalition bei der Zerschlagung des deutschen Faschismus relativiert.
Diese Menschen verdienen nicht nur unsere Hochachtung, sondern auch verstärktes Interesse an ihrer sozialen Lage. Aus diesem Grund will ich mich auch in Zukunft für ihre Belange im Deutschen Bundestag einsetzten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass ehemalige polnische Ghetto-Arbeiterinnen und Arbeiter, von denen viele zugleich auch als Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen den deutschen Faschismus gekämpft haben, noch immer von Ghetto-Renten-Zahlungen aus Deutschland ausgenommen sind. Dieser Zustand muss sofort beendet und eine Lösung zwischen der Bundesrepublik und Polen gefunden werden, um diese Diskriminierung zu beenden.
Angesichts des Widererstarkens des Antisemitismus, der extremen Rechte und Rechtspopulismus in West und Osteuropa ist die Verpflichtung: „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ heute wichtiger denn je. Nur gemeinsam und über die nationalen Grenzen hinweg werden wir uns den neuen Bedrohungen des Chauvinismus und der Ausländerfeindlichkeit in den Weg stellen können.
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