Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie als Sprecherin für Soziale Menschenrechte unserer Fraktion ganz herzlich zu unserer heutigen Konferenz. Ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind. Ganz besonders möchte ich begrüßen: Frau Ines Feierabend (Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie) sowie Frau Maria Virgínia Brás Gomes (Mitglied und Berichterstatterin im UN-Ausschuss für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte) und Herrn Dr. Boris Kanzleiter (Direktor des Zentrums für Internationalen Dialog der Rosa-Luxemburg-Stiftung).
Sie werden uns gleich in die Thematik einführen. Für die folgenden Fach-Inputs in den verschiedenen Themen-Foren haben wir Expertinnen und Experten eingeladen. Es wird leider keine politische Debatte mit Vertreterinnen und Vertretern aus den anderen Bundestagsfraktionen stattfinden, weil sie alle kurzfristig abgesagt haben. Stattdessen findet zum Abschluss der Konferenz eine Gesprächsrunde mit Katja Kipping, Vorsitzende der Partei DIE LINKE. und Frau Maria Virgínia Brás Gomes , Mitglied des UN-Sozialausschusses statt. Die Runde wird von PD Dr. Michael Krennerich, Erster Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums (NMRZ) und Mitglied des Interdisziplinären Zentrums Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) moderiert.
Alle Teilnehmenden möchte ich ganz herzlich begrüßen, an Sie geht mein besonderer Dank! Schließlich möchte ich noch allen ganz herzlich danken, die an unserem Gesetzesentwurf „Aufnahme Sozialer Grundrechte ins Grundgesetz“ mitgearbeitet haben und bei denen, die bei der Organisation dieser Konferenz mitgewirkt haben: bei meiner Fraktion und bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, bei den Referentinnen und Referenten der Fraktion DIE LINKE, bei meinen Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen und natürlich bei meinem Büroteam.
Wir möchten heute mit Ihnen über Soziale Menschenrechte diskutieren und Ihre Anregungen und Ergänzungen aufnehmen. Wir haben das Thema Soziale Menschenrechte im Bundestag bereits mehrmals auf die Agenda gesetzt. Wir haben einen Antrag zur Weiterentwicklung der Europäischen Sozialcharta eingebracht. Den Antrag habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Andrej Hunko erarbeitet. Meine Kollegin Annette Groth und ich haben auch einen Antrag zur Durchsetzung der wsk-Paktrechte erarbeitet und gemeinsam mit den Grünen eingebracht, in dem wir die Bundesregierung zur Unterzeichnung des Fakultativprotokolls zum UN-Sozialpakt aufgefordert haben. Bis heute hat Deutschland dieses Fakultativprotokoll leider weder unterschrieben noch ratifiziert. Im März dieses Jahres haben wir im Bundestag ein gut besuchtes Fachgespräch zum Thema „Soziale Menschenrechte im Fokus – Aufbruch oder Stillstand? Aufnahme Sozialer Grundrechte in das Grundgesetz“ mit zahlreichen Experten und Expertinnen veranstaltet. In der Folge haben wir die Anregungen aus dem Fachgespräch aufgenommen. Seitdem arbeiten wir intensiv an unserem Gesetzesentwurf zur Aufnahme Sozialer Grundrechte in das Grundgesetz. Ich möchte ganz kurz inhaltlich in das Thema einführen.
Worum geht es bei Sozialen Menschenrechten?
Was sind es für Rechte, die vor 50 Jahren im UN-Sozialpakt niedergeschrieben wurden, doch leider bis heute nicht umgesetzt sind? In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 heißt es: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Und in der Präambel des UN-Sozialpakts von 1966 heißt es, dass „das Ideal vom freien Menschen, der frei von Furcht und Not lebt, nur verwirklicht werden kann, wenn Verhältnisse geschaffen werden, in denen jeder seine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ebenso wie seine bürgerlichen und politischen Rechte genießen kann.” Hierzu haben sich die Staaten seinerzeit feierlich verpflichtet. Und das ist geltendes Völkerrecht.
Der UN-Sozialpakt garantiert die grundlegenden Sozialen Menschenrechte:
- Das Recht auf Arbeit, gerechte Arbeitsbedingungen, gleichen Lohn, Freizeit, Koalitionsfreiheit
- Das Recht auf soziale Sicherheit
- Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard bezüglich Ernährung, Bekleidung und Wohnung
- Das Recht auf ein Höchstmaß an geistiger und körperlicher Gesundheit
- Das Recht auf lebenslange Bildung und Freiheit des Kulturlebens
Heute, nach 50 Jahren, müssen wir feststellen: Selbst in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, sind diese Rechte immer noch nicht – wie die bürgerlichen und politischen Rechte – im Grundgesetz festgeschrieben und deshalb nicht mit einer Verfassungsbeschwerde einklagbar. Doch Deutschland ist nicht nur eines der reichsten Länder der Welt. Es ist auch das Land, in dem der Reichtum so ungleich verteilt ist wie in keinem anderen Land der EU. Erst kürzlich hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung festgestellt: „Die Einkommensverteilung in Deutschland wird zunehmend undurchlässiger. Armut und Reichtum werden immer dauerhafter.“ (WSI-Report Nr. 31 vom Okt. 2016). Laut Medienberichten wächst die Kluft zwischen arm und reich. Mittlerweile verfügen 10 Prozent der Haushalte über 51,9 Prozent des Nettovermögens im Land. Zugleich sind 12,5 Millionen Menschen arm. Fast ein Viertel aller Kinder hierzulande wachsen in armutsgefährdeten Familien auf: Das sind 2,5 Millionen Kinder! Der Kampf um Soziale Menschenrechte und um gesellschaftliche Teilhabe ist aktueller denn je. Auch bei uns. Die Folgen von Krisen und Krieg, ökologischen Katastrophen und Gewalt machen auch vor Westeuropa nicht mehr halt. Weltweit sind etwa 65 Millionen Menschen auf der Flucht, mehr als je zuvor, ein kleiner Teil von ihnen kommt auch nach Deutschland. Soziale Menschenrechte sind ein Mittel gegen die soziale Spaltung. Sie können auch ein Mittel gegen die rassistische Demagogie von Rechtspopulisten sein.
Menschenrechte gelten für alle. Also für jeden Menschen, unabhängig davon, ob er arm oder reich ist oder welche Staatsangehörigkeit er hat. Und sie gelten unabhängig davon, ob man diese Rechte wahrnehmen muss oder nicht: Man braucht zum Beispiel nicht selbst krank sein, um das Recht auf einen hohen Gesundheits-Standard einzufordern. Der Kampf um Soziale Menschenrechte ist nicht nur eine Angelegenheit gesellschaftlich benachteiligter Personen oder Gruppen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – für uns alle. Wir reden hier von einklagbaren Rechten und nicht etwa von Almosen, die eine reiche Gesellschaft an Bedürftige austeilt. Bis heute sind die Sozialen Menschenrechte nicht im Grundgesetz verankert.
Das muss anders werden! Die Menschenrechte sind unteilbar und universell.
Ich danke Ihnen und wünsche uns allen eine erfolgreiche Konferenz mit anregenden Diskussionen.
WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:
Interview »Soziale Grundrechte müssen endlich ins Grundgesetz!« (29.02.2016)
Interview “Soziale Menschenrechte: Deutschland ist Schlusslicht“ (24.02.2015)