Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde von Azize Tank (MdB, DIE LINKE) gegen die Entscheidung des Kammergerichts

Azize Tank begrüßt die Entscheidung des Kammergerichts, das festgestellt hat, dass die Äußerungen des NPD – „Heimführungsbeauftragter“ das Allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt:  „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen an der Menschenwürde! Gerade angesichts der wachsenden Gewalt gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen müssen alle Formen rassisti-scher Diskriminierung als solche benannt und be-kämpft werden. Eine gleichberechtigte Teilhabe an der Demokratie wird nur durch ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber allen Bürgern und ein respektvolle Miteinander erreicht werden können.“

 

Hier die Presseerklärung des Menschenrechtsanwalt Eberhardt Schultz:

Entscheidung des Kammergerichts: Verfahren Tank gegen NPD-„Heimführungsbeauftragten“ verletzt Allgemeines Persönlichkeitsrecht der Mandantin wegen zu weiter Annahme der Meinungsfreiheit

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin (VerfGH) vom 01.07.2015 wurde das Urteil des Kammergerichts vom 15.05.2014 wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mandantin – Art. 7 i.V.m. Art. 6 Verfassung von Berlin (VvB) aufgehoben und die Sache an das Kammergericht zurückverwiesen (vgl. die früheren Pressemitteilungen).

Zu Grunde lag ein an die Mandatin mit dem Briefkopf der NPD – Landesverband Berlin versehenes Schreiben an ihre Privatanschrift, unterzeichnet von dem „Heimführungsbeauftragten der NPD“, in dem diese zur „freiwilligen Auswanderung“ aufgefordert worden war und in dem es weiter hieß: „Ihre politische Einflussnahme auf die ethnische Gruppe der Deutschen könnte aus menschenrechtlichen Erwägungen vielleicht sogar strafbar sein, weil es verboten ist, den physischen und psychischen Zustand einer ethnischen Gruppe zu manipulieren.“

Das Landgericht hatte auch insoweit einen Unterlassungsanspruch zugebilligt, der NPD-„Heimführungsbeauftragte“ hiergegen Berufung eingelegt. Das Kammergericht hat daraufhin den Beschluss des Landgerichts insoweit aufgehoben, weil es sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung, sondern um eine zulässige Meinungsäußerung handele, die die Mandantin als Kandidatin zum Bundestag auch in dieser Form einer „überspitzten Kritik“ hinzunehmen habe.

Der VerfGH sieht darin zunächst eine unzutreffende Deutung von Äußerungen; das Kammergericht habe „außer Acht gelassen, dass der weitere Inhalt des Schreibens (…) keine Auseinandersetzung mit der Politik des »machthabenden Regimes«, sondern eher die Herabwürdigung der Beschwerdeführerin wegen ihres Migrationshintergrunds nahe legt. (…) Die Argumentation, mit der es einen Angriff auf die Menschenwürde der Beschwerdeführerin verneint hat, ist verfassungsrechtlich nicht haltbar. Soweit das Kammergericht ausführt, das alleinige Bestreiten des Aufenthaltsrechts eines Ausländers oder Migranten an sich genüge hierfür nicht, verkennt es zum einen, dass die für seine Rechtsauffassung zitierten Entscheidungen die Strafbarkeit entsprechender Äußerungen betrafen, für die (…) andere Maßstäbe gelten als für die privatrechtlich begehrte Unterlassung. Zum anderen verkennt das Kammergericht, dass die Beschwerdeführerin Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG, Art. 2 VvB ist und sich die Frage ihres Aufenthaltsrechts daher von vornherein nicht stellt.“ (Hervorhebung v.Verf., Aktenzeichen VerfGH 141/14)

Das Kammergericht ist nach dieser „schallenden Ohrfeige“ nun gehalten, unter Beachtung der Entscheidung des VerfGH, neu zu entscheiden. Nach meiner Einschätzung kann die Entscheidung nicht anders ausfallen, als dass der Mandantin auch hinsichtlich der Äußerung ein Unterlassungsanspruch zugebilligt wird.

 

rbb-Bericht

Eberhard Schulz