Für ein soziales Europa – gegen populistische Hetze und Ausbeutung

Die Schweiz hat getan, was so manche CSU-Politikerinnen und Politikern sich wohl auch für Deutschland wünschen würden: In der Volkabstimmung vom Sonntag hat sich eine – wenn auch sehr knappe – Mehrheit der Bevölkerung für eine gesetzlich verankerte Beschränkung der Zuwanderung ausgesprochen. Das ist eine geradezu beschämende Positionierung – gegen ein vereintes Europe, gegen Freizügigkeit und Flüchtlingsschutz. Damit schlägt die Schweiz nicht nur für sich selbst den falschen Weg ein, sondern sendet ein fatales Signal Richtung Europa: das einer sich abschottenden Gesellschaft.

Zwar kritisiert auch Wolfgang Schäuble das Ergebnis der Volksabstimmung, verteidigt die Freizügigkeit und erinnert daran, „wie sehr die Menschen von der Freizügigkeit profitieren“. Sie sei „Quelle für Wohlstand und Wachstum“. Es stellt sich jedoch die Frage, wieso er diese kritische Haltung nicht auch gegenüber seinen Unionskolleginnen und -kollegen eingenommen hat, als diese bereits weit im Vorfeld der seit 1. Januar 2014 geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit für rumänische und bulgarische EU-Bürgerinnen und -Bürgern sozialchauvinistische Ressentiments bedienten und eine massenhafte Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme heraufbeschworen. Mit dem Slogan „Wer betrügt, der fliegt“ forderte die CSU gesetzliche Maßnahmen, um dem vermeintlichen Missbrauch einen Riegel vorzuschieben.

In einem hat Schäuble jedoch recht: Deutschland profitiert erheblich von der Zuwanderung aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern, und daran wird sich auch nach den neuen Regelungen zur Freizügigkeit nichts ändern. Zuwanderinnen und Zuwanderer aus den EU-Staaten gehen in Deutschland wie in der Schweiz in der überwiegenden Mehrheit einer Erwerbsarbeit nach. Sie zahlen Steuern, sie zahlen in die Sozialkassen ein und tragen bei zur Wohlfahrt des Staates.

Natürlich profitieren auch die zugwanderten Arbeiterinnen und Arbeiter von der Freizügigkeit – solange ihnen die gleichen Rechte zugestanden werden wie inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und es nicht zu einem Ausspielen gegeneinander kommt.

Es ist leider bittere Wahrheit, dass Zuwanderinnen und Zuwanderer vor allem aus den osteuropäischen Staaten gegenüber deutschen Beschäftigten systematisch schlechter gestellt werden und überdurchschnittlich stark im Niedriglohnbereich beschäftigt sind. Die Bereitschaft, auch für wenig Geld zu arbeiten, nutzen Arbeitgeber oftmals schamlos aus und bedienen sich dabei teils krimineller Mittel. Zwei besonders eklatante Beispiele: Die Arbeitsverträge für die Werkvertragsbeschäftigten der Firma NVG derart gestaltet, das sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drangsalieren, ausbeuten und an den Betrieb knebeln. Beim Marktführer für Geflügelfleisch, Wiesenhof, wurden rumänische Arbeitnehmerinnen und Arbeiter unter falschen Versprechungen nach Deutschland geholt. War anfangs die Rede von 800 Euro plus Prämien und Unterbringung, erhielten sie bei Ankunft Arbeitsverträge über 295 Euro monatlich plus maximal 400 Euro Prämie, die auch noch gekürzt werden konnte.

So ist nicht eine Debatte um ein Ja oder Nein zur Freizügigkeit notwendig. Es geht vielmehr um die Frage, wie in der EU Arbeitnehmerrechte und faire Löhne für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer garantiert werden können, unabhängig von ihrer Herkunft.

Rechtspopulistische Parteien feiern europaweit das Ergebnis der Schweizer Volksabstimmung. Vor allem mit Blick auf die anstehende Europawahl gilt es, solchen anti-europäischen Ressentiments und offen artikuliertem Rassismus eine entschiedene Absage zu erteilen. DIE LINKE setzt sich für andere europäische Verträge und eine andere europäische Integration ein, für ein friedliches und sich an seinen Außengrenzen nicht abschottendes Europa. Das, wofür wir kämpfen, ist eine europäische Sozial- und Wirtschaftsunion, die die sozialen Menschenrechte achtet und durchsetzt, Mindestlöhne garantiert und das hohe Gut der Freizügigkeit gewährleistet und schützt.