Mittel für Internationalen Jugendaustausch müssen aufgestockt werden!

Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Internationalen Jugend- und Schüleraustausch als Fundament in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik verankern 

Ich begrüße sehr, dass der vorliegende Antrag die Bedeutung des internationalen Jugend- und Schüleraustausches für die Auswärtige Bildungs- und Kulturpolitik ins Blickfeld nehmen möchte.

Der internationale Jugendaustausch wird von zahlreichen Freiwilligen, engagierten Schulen und Jugendaustauschorganisationen getragen, deren nachhaltige Wirkung für den interkulturellen Dialog und die aktive Vermittlung demokratischer Grundwerte oft nicht die gebührende Beachtung in der Öffentlichkeit findet. Deshalb möchte ich mich bei den vielen jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern und engagierten Betreuern sehr herzlich bedanken.

Dieses anspruchsvolle Engagement wird allerdings durch viele sowohl bürokratische als auch strukturelle Hindernisse erschwert. Die Problematik der Visavergabe, die die Fraktionen der CDU/CSU und SPD in ihrem Antrag ansprechen, ist nur eine von vielen. Dabei liegt die Visavergabe in der Hand der antragstellenden Regierungskoalition und könnte schnell verbessert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herrn, weisen Sie doch endlich die deutschen Botschaften im Ausland an, Verpflichtungserklärungen der Jugendaustauschorganisationen anzuerkennen. Sorgen sie für einheitliche Kriterien bei der Visavergabe und verzichten sie darauf, Sprachnachweise zu verlangen, die von Germanistikstudenten an Hochschulen verlangt werden könnten, nicht aber von Schülerinnen und Schülern, die im Rahmen einer Schulpartnerschaft zu Gastfamilien nach Deutschland kommen.

Mit großer Sorge nehme ich zugleich zur Kenntnis, dass die verschiedenen Lebensrealitäten der Jugendlichen in dem Antrag nicht angemessen gewürdigt werden. Genau diese aber stellen eine entscheidende Voraussetzung der Teilnahme junger Menschen an grenzüberschreitenden Begegnungen dar. Prekäre Lebenssituationen, wie ein erschwerter Zugang zum sozialen Menschenrecht auf Bildung sowie Hindernisse bei der kulturellen Teilhabe in unserer Gesellschaft verstärken diese bestehenden Bildungsbenachteiligungen.

Jugendliche Migrantinnen, sozial Benachteiligte sowie Kinder mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen sind aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen oft von der Teilnahme am Jugendaustausch ausgeschlossen.

Menschen mit beschränktem Aufenthaltsrecht dürfen vielfach an Austauschprogrammen gar nicht teilnehmen. Hier entsteht in den Schulen ein Zweiklassensystem. Dabei wäre es für eine echte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund gerade wünschenswert, dass sie gemeinsam mit ihren deutschen Mitschülern an geschichtspolitischen Bildungsreisen, die zum Beispiel das Thema Rassismus, soziale Ausgrenzung und Antisemitismus im Kontext der deutschen NS-Verbrechen behandeln, teilnehmen. Wäre dies nicht weitaus effektiver für die von Ihnen geforderte Stärkung der „Willkommens- und Anerkennungskultur“, anstatt Jugendliche im Rahmen von internationalen Austauschprojekten als Botschafter misszuverstehen, die anstatt gemeinsamer Begegnung und eines Dialoges auf Augenhöhe vielmehr ein positives Deutschlandbild zu vermitteln hätten? Jugendliche können nicht zu Missionaren des „erfolgreichen deutschen Modells der dualen beruflichen Bildung“ instrumentalisiert werden, wenn gerade oftmals die Nichtteilnahme von sozial benachteiligten Jugendlichen und Schülern der beste Beweis ist, dass die duale Ausbildung kein Allheilmittel zur Lösung sozialer Verwerfungen ist.

Interessierte Jugendliche können dabei den Freiwilligendienst als Gelegenheit zur Orientierung nach der Schule oft nicht in Anspruch nehmen, weil ihnen sonst Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Wohngeld gestrichen werden würden. Nach wie vor werden Menschen mit Behinderung in der Sozialgesetzgebung wie Empfänger staatlicher Fürsorgeleistungen und nicht wie aktive Bürger betrachtet. Eine Teilnahme an einem Workcamp oder einer Bildungsreise führt oft zu einem Ausschluss von Teilhabeleistungen. Diese Benachteiligungen müssen beendet werden!

In diesem Sinne ist es fraglich, wie sich die Regierungskoalitionen vorstellen, der von der Linken geteilten Forderung nachzukommen um – ich zitiere – „in besonderer Weise … gezielt benachteiligte Jugendliche und junge Menschen mit Behinderung gemäß Artikel 32 der UN-Behindertenrechtskonvention“ einzubeziehen, wenn im gleichen Atemzug der Vorbehalt formuliert wird, dass dies nur „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ zu gewährleisten sei.

Die verfügbaren Mittel müssen vielmehr aufgestockt werden. Es genügt nämlich nicht, die große Bedeutung des Deutsch-Französischen Jugendwerkes, DFJW, oder des Deutsch-Polnischen-Jugendwerk, DPJW, hervorzuheben und zugleich zu vergessen, dass zum Beispiel das DPJW den notwendigen Bedarf und das Interesse der Jugendlichen an Austausch- und Begegnungsprojekten nicht vollumfänglich decken kann. Deshalb sollten die Mittel des DPJW aufgestockt werden.

Die Linke teilt die Einschätzung, dass der Besuch von Gedenkstätten, an denen die Relevanz der Geschichte für die Gegenwart deutlich wird, gezielt unterstützt und gefördert werden muss. Dafür ist es unumgänglich, die langfristige Planungssicherheit der Gedenkstätten zu gewährleisten. Viele Gedenkstätten-Mitarbeiter werden aufgrund der Notwendigkeit, fehlende Mittel für internationale Jugend-Begegnung einzuwerben, mit zusätzlichem Bürokratieaufwand konfrontiert. Dies hindert sie daran, ihre pädagogische Expertise in die Begegnungsarbeit einzubringen. Ein weiteres gutes Beispiel, dass durch finanzielle Unterstützung konkrete Ergebnisse erzielt werden können, sind die Bemühungen um eine langfristige Sicherung der Bildungs- und Erinnerungsarbeit an den Gedenkorten der ehemaligen deutschen Vernichtungslager Sobibor und Bełżec als Ergänzung der Infrastruktur der bestehenden Gedenkstätten. Die Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ arbeitet dort eng mit deutschen und polnischen Bildungsträgern zusammen, um die vergessene Geschichte der deutschen Lager der sogenannten Aktion Reinhardt aufzuarbeiten und diese Gedenkorte als wichtige Orte der Begegnung, Bildung und des gemeinsamen Dialoges zu entdecken.

Fundierte Bildungsarbeit und interkulturelle Einbeziehung von Jugendlichen lässt sich jedoch nur durch Bereitstellung zusätzlicher Mittel bewerkstelligen. Hier sehen wir noch Nachholbedarf und werden entsprechende Vorschläge unterbreiten. Nur so können die genannten Vorhaben realisiert werden. Das Thema ist in seiner Gesamtheit von hoher Bedeutung, weshalb die Linke dem Antrag auch zustimmt.