Polnische Befreierinnen und Befreier von Berlin im Bundestag -Grußwort der Bundestags-Abgeordneten Azize Tank zum Tag der Befreiung am 8. Mai 2015

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,

liebe Freundinnen und Freunde,

der 8. Mai, der Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus, und der 9. Mai, der Tag an dem die verbrecherische deutsche Wehrmacht vor den Vertreterinnen und Vertretern der Anti-Hitler-Koalition in Berlin-Karlshorst ihre bedingungslose Kapitulation unterzeichnete, markieren einen Wendepunkt in der Geschichte Europas.

An diesen Tagen feiern wir die Zerschlagung des deutschen Faschismus und ehren die ehemaligen KombattantInnen und WiderstandskämpferInnen! Ihnen allen gilt unser Dank für die Befreiung!

Unvergessen sind jedoch an diesem Tag vor allem die Millionen Opfer des deutschen Faschismus. Insgesamt starben während des Zweiten Weltkriegs nach Schätzungen: ca. 50 Millionen Menschen, davon 30 Millionen Zivilstinnen und Zivilisten, 6 Millionen Jüdinnen und Juden, 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene, 220 Tausend Sinti und Roma, 250.000 Euthanasieopfer und geschätzt 8.000 Homosexuelle sowie Tausende weitere KZ-Häftlinge, politische Gefangene, Deportierte oder an Hunger gestorbene Menschen.

Bei der Befreiung Deutschlands und des besetzten Europas durch antifaschistische Kräfte hatten die Soldaten und Frauen-Soldaten, die an der Ostfront eingesetzt wurden, die größte Last zu tragen. Mit jedem Sieg der AntifaschistInnen an der Ostfront rückte zugleich das Ende der deutschen Vernichtungspolitik gegenüber europäischen Jüdinnen und Juden die in den deutschen Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Majdanek und Kulmhof sowie Treblinka, Bełżec und Sobibor industriell betrieben wurde. Mit dem Sieg über den Faschismus wuchs auch die Hoffnung auf einen demokratischen und sozialen Wiederaufbau in Europa.

Gedenken wir an diesem Tag in besonderer Weise all jenen Kämpferinnen und Kämpfern, die bewaffneten und zivilen Widerstand gegen den deutschen Faschismus an allen Fronten des Zweiten Weltkrieges und auf allen gesellschaftlichen Ebenen leisteten. Ich begrüße sehr, dass die Berliner VVN-BdA und zahlreiche AntifaschistInnen mit dem Fest zum Tag des Sieges im Treptower Park seit Jahren kontinuierlich wichtige Erinnerungsarbeit leisten und Überlebende und ZeitzeugInnen dabei einen zentralen Platz einnehmen.

Ich freue mich sehr auch in diesem Jahr an den Feierlichkeiten zum Tag des Sieges teilzunehmen, dass von ehrenamtlichen AktivistInnen vorbereitet wird und von zahlreichen BerlinerInnen mit unterschiedlichem sozialen und sprachlichen Hintergrund besucht wird.

Es ist mir dabei eine besondere Ehre in diesem Zusammenhang am 8. Mai im Deutschen Bundestag Herrn Kapitän zur See Henryk L. Kalinowski (6. Brückenlege-Bataillon), Oberleutnant Hania Szelewicz (2. Henryk-Dąbrowski-Division), Major Lech Tryuk (1. Tadeusz-Kościuszko-Division) sowie Edward Kublik (1. Tadeusz-Kościuszko-Division) zu einem Mittagessen empfangen zu dürfen.

Ich bedaure dabei sehr, dass Herr Oberst Eugeniusz Skrzypek aus Warschau, der in der 1. Polnischen Armee am Sturm auf Berlin und den Kämpfen in Berlin-Charlottenburg teilnahm, aus gesundheitlichen Gründen verhindert ist und meiner Einladung in den Deutschen Bundestag nicht folgen konnte. Ich wünsche Herrn Skrzypek baldige Genesung und viel Kraft, um seine wichtige erinnerungspolitische Arbeit fortzusetzten.

Die meisten ehemaligen Opfer des deutschen Faschismus sind 69. Jahre nach ihrer Befreiung bereits verstorben oder befinden sich in einem angeschlagenen gesundheitlichen Zustand. Auch die ehemaligen Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer benötigen unsere Unterstützung. Die soziale Sicherheit dieser älteren Menschen, ihr Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung, angemessene Pflege und andere soziale Menschenrechte muss überall in Europa gewährleistet werden. Denn es waren diese Menschen die ihre Jugend, Gesundheit und ihr Leben während des Zweiten Weltkrieges für unser Leben in Freiheit geopfert haben. Wir sind verpflichtet, Ihnen würdevollen und angemessenen Lebensstandard auch im fortgeschrittenen Alter zu ermöglichen. Ich bedaure es sehr, dass vielen antifaschistischen Kriegsinvaliden in Europa nicht die gebührende Achtung und Pflege zukommt. In vielen Ländern, insbesondere in Osteuropa kommt es vermehrt zu Angriffen auf die ehemaligen antifaschistischen Kombattantinnen und Kombattanten; ihre Rentenansprüche, Leistungen und Vergünstigungen werden oft beschnitten; ihr Beitrag als Alliierte der Anti-Hitler-Koalition bei der Zerschlagung des deutschen Faschismus relativiert.

Diese Menschen verdienen nicht nur unsere Hochachtung, sondern auch verstärktes Interesse an ihrer sozialen Lage. Aus diesem Grund will ich mich auch in Zukunft für ihre Belange im Deutschen Bundestag einsetzten. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass ehemalige polnische Ghetto-Beschäftigte, von denen viele zugleich auch als Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer gegen den deutschen Faschismus gekämpft haben, auch dank unser intensiven Bemühungen endlich Zugang zu Ghetto-Renten nach dem ZRBG erhalten.

Angesichts des Widererstarkens des Antisemitismus, der extremen Rechte und Rechtspopulismus in West und Osteuropa ist die Verpflichtung: „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg“ heute wichtiger denn je. Nur gemeinsam und über die nationalen Grenzen hinweg werden wir uns den neuen Bedrohungen des Chauvinismus und des Rasimus in den Weg stellen können.

TERMINE

Auf Einladung der BVV-Fraktion der SPD Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf und mit Unterstützung der Berliner VVN-BdA sowie des AStA der TU Berlin findet am 7. Mai eine Danksagung an die polnischen Befreierinnen und Befreier von Berlin-Charlottenburg und ein Zeitzeugen-Gespräch statt.

Zeit:    am Donnerstag, dem 7. Mai 2015, 18.00 Uhr
Ort:     Rathaus Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 100, 10585 Berlin, Rathaus-Festsaal

Auf Einladung von DIE LINKE. Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin findet am 8. Mai ein Empfang im Abgeordnetenhaus von Berlin statt.

Zeit:    am Freitag, dem 8. Mai 2015, 15.20 Uhr
Ort:     Abgeordnetenhaus von Berlin, Niederkirchnerstraße 5, 10117 Berlin

Um vorherige Anmeldung bei der Berliner VVN-BdA wird gebeten.

 

Programm_Besuch_Polnische_BefreierInnen_7-9.Mai.2015_01