Schriftliche Frage zur Vereinbarkeit der EuGH-Entscheidung mit Sozialen Grundrechten: Existenzminimum darf nicht verweigert werden! Auch nicht nach dem EuGH Urteil

Die Gewährleistung Sozialer Grund- und Menschenrechte ist eine unabdingbare Voraussetzung für ein würdiges Leben. Nach dem EuGH Urteil vom 15.09 in der Rechtssache Jobcenter Berlin Neukölln /Familie Alimanovic [C-67/14] zum unionskonformen Ausschluss von in Deutschland lebenden und arbeitssuchenden Unionsbürger_innen von SGB II- Leistungen, gibt sich Bundesregierung in der Antwort auf eine schriftliche Frage von Azize Tank unwissend ihren aus dem UN-Sozialpakt, der UN-Kinderrechtskonvention sowie der Europäischen Sozialcharta hervorgehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen. 

Der EuGh hat entschieden, dass der Leistungsausschluss von SGB II der Familie mit EU-Recht vereinbar ist und hat dadurch die Bundesregierung in ihrer Sicht gestützt. Danach haben ausländische Arbeitsuchende und deren Familienangehörige keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Auch eine Einzelfallprüfung muss nicht vorgenommen worden.

Die Bundesregierung hüllt sich in Unwissenheit, da sie vorgibt, dass ihr eine ´Unvereinbarkeit der Bestimmungen des SGB II, die Gegenstand des Urteils des EuGH in der fraglichen Rechtssache waren, mit der Europäischen Sozialcharta sowie den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesregierung aus dem UN-Sozialpakt und der UN-Kinderrechtskonvention´ nicht bekannt ist. Doch genau diese liegt hier vor, wenn – nach dem EuGH-Urteil – arbeitssuchenden Unionsbürger_innen in Deutschland das Existenzminimum verwehrt werden kann. Die Bundesregierung darf dem Urteil nicht folgen. Sie muss vielmehr den völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen und die Sozialen Menschenrechte aller in Deutschland lebenden Menschen achten und gewährleisten.

Im UN-Sozialpakt sind ähnlich wie in der ebenfalls verbindlichen Europäischen Sozialcharta des Europarats von 1961, unter anderem das Recht auf Arbeit, das Recht auf Soziale Sicherheit, das Recht auf Gesundheit und das Recht auf Bildung geregelt. Die Sozialen Menschenrechte aus dem UN-Sozialpakt und der Europäischen Sozialcharta spielen eine wichtige Rolle zu deren nationalen Durchsetzung. Dabei sollte unterstrichen werden, dass beide Abkommen nach ihrer Ratifizierung verbindlicher Bestandteil der deutschen Rechtsordnung im Range einfachen Bundesrechts sind und vor deutschen Gerichten geltend gemacht werden können.

Neben der völkerrechtlichen Ebene ist aber auch das in Deutschland geltende Verfassungsrecht zu beachten. So hat das Verfassungsgericht in zwei Grundsatzurteilen, ´Hartz IV´-Entscheidung von 2010 und die Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz von 2012, das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für alle in Deutschland lebenden Menschen klar bestätigt. In der Hartz IV Entscheidung führt es dazu aus: „Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. BVerfGE 125, 175). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht.“

Daran muss sich auch die Bundesregierung gebunden fühlen.

Antwort auf Schriftliche Frage zur Vereinbarkeit der EuGH-Entscheidung zum Ausschluss von in Deutschland lebenden und arbeitssuchenden Unionsbürger_innen von SGB II-Leistungen und den völkerrechtlichen Verpflichungen der Bundesregierung aus dem UN-Sozialpakt, UN-Kinderrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta

 

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN:

Presse-Erklärung zum EuGH-Urteil

Antrag „50 Jahre Europäische Sozialcharta – Deutschlands Verpflichtungen einhalten und die Sozialcharta weiterentwickeln“ (BT-Drs. 18/4092)

Antrag „Doppelstandards beenden – Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt zeichnen und ratifizieren“ (BT-Drs. 18/4332)

Verfassungsgerichtsurteil Hartz IV

Verfassungsgerichtsurteil Asylbewerberleistungsgesetz